Sagrotan's Desinfizierte Zone

Positives, Negatives, Durchgeknalltes, politisches, Gedanken zur "Generation Doof", verallgemeinernd, spezialisiertes, Simplicissimus, Verklausulaticus, kurz: Alles, was dem guten Sagrotan so durch die Denkmasse geistert und durch Zufall (oder auch nicht) den Weg in die Finger findet.

Paper vs. Pixel

Ich bekenne mich schuldig, ich gehöre zu den "Ausdruckern"! nein, ich leide nicht unter einem verspäteten Pubertätsanfall, wenigstens nicht was meine gleichbleibend mäßige Reinheit meiner Haut angeht. Ich kann anscheinend aus gedruckten Lettern nachhaltiger Informationen saugen als aus auf dem Bildschirm dargestellten. Das machte mir heute doch den ein oder anderen Gedanken…bin ich doch noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen? Bin ich etwa so sehr der Sklave meiner Prägungen aus der Schulzeit, dass ich nach jahrelangem Lesen vom Bildschirm mir die wichtigen Infos immer noch ausdrucken muss, um sie eingehend studieren zu können?

Dabei habe ich mich während einer längeren Bürotätigkeit (eher langweilige Episode in meinem Leben…) immer darüber lustig gemacht, dass zwar ein "papierloses Büro" propagiert wurde, aber 2x im Jahr der Aktenvernichter vorfahren musste, damit im Archiv Platz für neue Kubikmeter bedruckten toten Waldes geschaffen wurde. Aber was könnte der Grund dafür sein, dass sich die subjektive Wertigkeit der Informationsaufnahme derart verschiebt zwischen Bildschirm und Papier? Mal abgesehen von den hübschen Ausreden, die man sich so mit den Jahren einfallen lässt bzw. von anderen abguckt wie "Ich drucke es aus, damit ich schneller hin- und her blättern kann" oder "Notizen bzw. Textmarker kommen auf dem Screen nicht so toll" oder "Ich bin so aufs Lesen von Papier geprägt durch die Schule/frühere Lernerfahrungen"

Erst hab ich folgendermaßen angesetzt: warum sieht der gleiche Absatz Text in der gleichen Schriftart/-Größe gedruckt oft übersichtlicher aus als auf dem Bildschirm? Aber dann kam ich drauf, dass es daran ja auch nicht liegen kann, denn man gewöhnt sich ja sogar recht schnell an die chaotischste Handschrift in seiner Umwelt, man befrage hinsichtlich dieses Themas diverse Arzthelferinnen. Auch oben beschriebene "Ausrede" mit der Prägung ist hinfällig, denn ich habe bestimmt quantitativ mehr Text am Screen gelesen, als während meiner Schulzeit (wenigstens was den schulisch vorgeschriebenen Inhalt angeht).

Das führte mich zu der Idee der "fassbaren Informationen", das Gehirn benötigt sozusagen physisch existente Materie, um Informationen ähnlich einer metaphorischen Eselsbrücke festzuhalten, um die "Daten sortieren zu können". Aber auch das sollte nach einigem Training möglich sein, zu adaptieren. Da stand ich nun und recherchierte ein wenig. So wurde in verschiedenen wissenschaftlichen Studien festgestellt, dass Lesen am Bildschirm im Schnitt zu 25% langsamer geht und zudem ermüdender ist. (Ich verzichte mal auf die 46 Anführungszeichen im vorhergehenden Satz, ich weiß, statistisch gesehen sind 90% aller Statistiken völliger abstrakter Schwachsinn und nach einer wissenschaftl. Studie sind 65% aller wissenschaftl. Studien erstunken und erlogen usw. usw. Ich wollte den Lesefluss nicht allzu sehr unterbrechen…) Eine andere Theorie, auf die ich gestoßen bin, ist: Das menschliche Auge ist konzipiert worden, um reflektiertes Licht aufzunehmen, wenn man vom Bildschirm abliest, starrt man sozusagen ständig in eine Lichtquelle. Hmmm, vermutlich ähnlich wissenschaftlich wie die Studien (übrigens ohne Quellenangaben). Ich bin noch auf diverse Untersuchungen der Augenbewegung gestoßen, oder Artikel und Vorlesungen über die menschliche Erwartungshaltung bei Informationen aus dem WWW/Computer im Gegensatz zu Büchern oder Papier, aber ich wollte nicht soviel ausdrucken und wenn ich es am Screen gelesen hätte, hätte ichs größtenteils bis jetzt wieder vergessen.

Da ja meiner Überzeugung nach der am meisten unterschätzte und doch am häufigsten genutzte menschliche Sinn die Intuition ist, neige ich dazu, bei der Untersuchung einer Tätigkeit immer Anhaltspunkte dafür zu suchen/finden (grooooooßer Unterschied), inwiefern es Hinweise auf eine weitgehende intuitive Steuerung dieser gibt. So auch hier, wobei lesen doch eine Menge mit Intuition zu tun hat. Nicht nur, diagonales Lesen oder annähernd fotografische Informationsaufnahme, wie sie einige Inselbegabte zur Meisterschaft gebracht haben, nein, auch das gewöhnliche Lesen ist eine Gewohnheit geworden, und alles, was dem Menschen zur Gewohnheit wird, bekommt eine kleine Wohnung im synaptischen Plattenbau unseres Denkvorortes Hirn. Bei dem Gedanken könnte man jetzt fantasieren, wie wohl ein nachbarschaftliches Treffen zwischen der Menschenkenntnis und dem Rauchen aussehen würde, aber ich schweife ab…. *hust* Und die gemeine Gewohnheit neigt dazu, sich ganz nebenbei und damit ganz nah an der Intuition abzuspielen. Hat man jetzt ein statisches Medium wie ein Papier oder Buch, fällt es bedeutend leichter, sich auf die übermittelten Infos zu konzentrieren, während das Lesen ganz automatisch funktioniert, hat man allerdings ein sich dynamisches Medium, die mehr oder weniger flimmernde Buchstaben auf dem Monitor, im Hintergrund immer die immensen Möglichkeiten der Interaktion mit dem Text und der ganzen Maschine Rechner oder dem unendlichen Informationsnetzes WWW, bleibt weniger Kapazität übrig, um die Informationen zu verarbeiten und einzuordnen. Insbesondere weil es sich um vollständig gegensätzliche Vorgänge handelt: Auf der einen Seite massive Optionen, Entscheidungen hinsichtlich der aktiven Interaktion und scrollende Textabsätze ebenso eine ständige Assoziation mit unglaublich vielen anderen Anwendungen der Möglichkeiten (sozusagen ein Text mit 99 querverweisen zu jedem Wort), auf der anderen Seite Kerninformationen, die zu anderen geordnet in Beziehung gesetzt werden wollen, Gedächtnisleistung im kurz- und mitteltemporalen Bereich, suche und Bildung eigener Querverweise.

Abschließend: Wenn vielleicht in 100 Jahren keine Bücher mehr gelesen werden (ich meine von niemandem, nicht mal mehr von der heutigen Minderheit) und nur noch vom Screen, könnte sich eine stark fluktuierende Alltagssprache daraus entwickeln. Hypothetisches Beispiel: "War gestern Abend klares wetter wunderschöne Sterne neue Raumsonde gestartet, gesehen? Mit Katrin und Georg die Legende vom Drachentöter obwohl Georg wohl eher ein Mäusetöter ist *lacht* kam letztens ein Film über Drachen Mäuse hatten wir früher in unserem Haus noch in dem neuen Club geiles Video gesehen von einem Clubsoundlabel…." …recht Assoziativ, nicht wahr, apropos, da fällt mir ein, ich muss noch was anderes machen, als das hier zu schreiben…

In diesem Sinne: Schönes Wetter in der Nachbarschaft der Gewohnheiten, keep associating!

Über mich

Mein Bild
Individualistisch-sozio-anarchistischer Freidenker (soweit wie möglich, denke ich zumindest), pilarius linguae, Semantiker, Schüler in vielen Dingen (lerne jeden Tag etwas dazu).

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